Artikel aus Friedenstimme 1910

By | 17. September 2014

Dejewka, Orenburg.
Wie oft sind Freude und Leid so dicht zusammen. Heute, den 6. Januar vormittags wurde im Fodorower Schulhause nach der Andacht das Brautpaar Jakob Sawatzky und Elisabet Ens vom Schreiber dieser Zeilen mit der Trauhandlung bedient: nach Gal. 6, 2.
Am Nachmittage derselben Tages fand im selben Dorfe ein Begräbnis im Hause der Geschwister Martens statt: es wurden unter großer Beteiligung 4 Kinder zu Grabe getragen, und zwar: 1. Zwei Kinder der Geschw. Jakob Ens: Jakob, 2 J., 10 M. 5 T. alt und Peter 1 J. 1 M. 3 T. alt. 2. Peter Bergmans Kind David, 2 J. 9 M. 22 T. alt. 3. Heinrich Dücks Kind Dietrich, 3 J. 16 T: alt. Ernst redete der Herr durch die Leichen, wie durch sein Wort. Ansprachen wurden gehalten von den Predigern Js. Löwen und Js. Krahn.
Möchten wir das Gehörte und Gesehene beherzigen! In dem erwähnten Dorfe herrschen sehr die Masern und stellenweise wohl auch Scharlach, so dass der Schulunterricht einstweilen noch nicht beginnen kann. Bei Geschw. Ens liegen noch 6 Kinder schwer krank danieder. Lasset uns der Betroffenen fürbittend gedenken!
D. Löwen.

Orenburg, Djejewka, den 14. Juni.
Wir haben hier jetzt herrliches Wetter. Während es im Mai fast beständig kalt war, wehen im Juni laue Sommerlüfte über unsere Felder. Ich und noch etliche Kollegen hatten unsern L. Schülern versprochen, nach beendeter Arbeitszeit einen gemeinsamen Sparziergang mit ihnen zu machen oder Maifest zu feiern. Wegen der unangenehmen Witterung (Kälte und Regen) im Mai, kam es aber erst am 9. Juni dazu. Also ich mit 70 Schülern und Lehrer P. Isaak Feodorowka mit ca. 38 Schülern gingen um 7 Uhr des Morgens zu dem von uns 5   6 Werst entfernten Flüsschen  Tschuran.  Mehrere Nachbarn aus dem Dorfe beteiligten sich an unserm Schulfeste, kamen zu Wagen nach und brachten Brennmaterial, Grapen, Spaten, Bresente usw. mit. Dort angekommen, schickten wir einen Reiter nach Kamenka Nr. 4, um Lehrer J. Friesen mit seinen Schülern auch einzuladen, welcher dann auch erschien. Inzwischen wurde Feuer gemacht, Wasser aus den Quellen geholt und gekocht und dann auf dem grünen Rasen im Schatten ausgehängter Plane Tee getrunken. Jeder Schüler hatte ein Körbchen mit Tasse und Eßwerk für sich gebracht und wir Lehrer spendeten den Tee und den Zucker zu dem Mahle; es mundete uns vortrefflich, und erinnerte uns an die Speisung der 5000. Vor und nach dem Tee wurde gebadet, gespielt, und gesungen. Es war eine wahre Lust und  Freude, und gar zu rasch mussten wir wieder aufbrechen nach Hause, indem es um œ 3 Uhr anfing heftig zu regnen.
Mehrere und auch ich wurden ganz durchnässt, aber trotzdem sah man doch lauter fröhliche Gesichter.  Haben wir zusammen Tee getrunken, so können wir auch zusammen nass werden , hieß es. Wer s von den L. Kollegen noch nicht versucht hat, einen ähnlichen Spaziergang zu machen, dem möchte ich dringend dazu raten; denn die leuchtenden Blicke aus den Augen der Kleinen belohnen das bisschen Mühe vielfach.
Lehrer David Löwen. Jahr 1910.